Das Paradoxon der Digitalisierung

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Noch immer ist der Ruf nach Digitalisierung in der Volksschule sehr gross. Noch immer klingt es, als wären Schulen mit hoher Abdeckung an Geräten sehr innovativ. Wir sollten jedoch beginnen davon zu sprechen, welche Schulen sich noch immer nicht der aktuellen Gesellschaft und den Anforderungen der Wirtschaft angepasst haben. Die Digitalisierung kommt nicht erst, sie ist seit langem da.

Das Paradoxon

Mit dem Fachbereich Medien und Informatik sollen digitale Kompetenzen in einem eigenen Fach, sowie Anwendungskompetenzen in den bestehenden Fachbereichen vermittelt werden. Das ist die Antwort der Schule auf die heutigen Anforderungen. Leider sind viele der vermittelten Kompetenzen bereits kurz nach dem Berufseintritt der Lernenden bereits wieder veraltet. Mit der Digitalisierung ist nur eines ganz sicher: die permanente Veränderung.

Diese ständigen Veränderungen der Anforderungen in der Berufswelt sind es, die vielen Menschen zu schaffen machen. Sie lassen sich weiterbilden und merken kurz darauf, dass das Gelernte bereits wieder veraltet ist. Erfolgreich in der digitalen Welt sind denn nicht zwingend die Digital Natives, sondern vor allem Autodidakten, die sich neues Wissen einfach und leicht selbst beibringen können.

Der Ruf nach Digitalisierung

Die Generation der Entscheidungsträger tut sich schwer mit den laufend neuen Anforderungen der digitalen Welt. Gerade deshalb ist der Ruf nach der Digitalisierung in den Schulen so laut. Die Schüler sollen am Computer ausgebildet werden und in der Lage sein – anders als eben diese Entscheidungsträgergeneration – flexibel und innovativ mit digitalen Geräten umzugehen. Der Denkfehler dabei ist, dass die heute vermittelten Kompetenzen, in der Welt von Morgen bereits wieder veraltet sind. Die Fähigkeit sich neue Kompetenzen anzueignen ist das, was die digitale Zukunft von den kommenden Generationen fordert.

Die Digitalisierung fordert eine neue Schule

Die Lehrpersonen, Schulleiter, Schulpfleger und Politiker von heute wurden alle vom selben Schulsystem ausgebildet. Sie alle verdanken ihren beruflichen Erfolg dieser Grundbildung, auf welche die Schweiz mit Recht stolz ist und in internationalen Vergleichen gut abschneidet. Was das Schulsystem aber offenbar zu wenig fördert, ist die Fähigkeit, sich selbst weiterzubilden. Und dies ist die Kernkompetenz einer digitalisierten Welt. Dies führt zwangsläufig zu einem Schluss: Um die Schülerinnen und Schüler von heute auf eine unbekannte und digitale Welt von Morgen vorzubereiten, müssen wir das Schulsystem so ändern, dass die notwendige Flexibilität, Neugier und Selbstwirksamkeit für individuelle und selbstgesteuerte Weiterbildung vermittelt werden. Wir müssen endlich aufhören, einfach noch mehr vom bestehenden Schulsystem von den Schülern zu verlangen. Wir müssen aufhören, digitales Wissen mit Arbeitsblättern zu vermitteln. Wir müssen aufhören, für die Schüler alles vorzudenken und bis zum letzten „klar und verständlich“ erteilten Auftrag alles vorzubereiten. Stattdessen müssen wir die Jugendlichen mit unklaren Problemen, ungenauen Schwierigkeiten und unbekannten Fähigkeiten herausfordern und ihnen persönliche, soziale und methodische Kompetenzen vermitteln, welche ihnen einen selbstsicheren und reflektierten Umgang mit Neuem ermöglichen.

Persönlicher Rückblick

Die Beiträge in meinem Blog sind in den letzten Monaten rar geworden. Die Reflexion meines Unterrichts zeigt mir klar weshalb: Ich setze immer weniger verschiedene Tools im Unterricht ein. Mein pädagogisches Handeln hat sich dagegen stark in Richtung Selbststeuerung und Stärkung von persönlichen und sozialen Kompetenzen verlagert. Unsere Chromebooks sind weiterhin täglich im Einsatz. Jedoch nicht mehr für die Kontrolle von Hausaufgaben mit Google Classroom, sondern für das Reflektieren in Lerntagebüchern, das Führen von persönlichen Portfolios und die Erstellung von Lernnachweisen. Gerne berichte ich in den nächsten Beiträgen davon.

6 Kommentare

  1. Ich bin mit deinen Folgerungen absolut einverstanden. Mehr „digital“ ist überhaupt nicht besser, wenn traditioneller, belehrender Unterricht einfach mit digitalen Tools geimpft wird. Nur bestehende Schulstrukturen zu optimieren, verhindert die Transformation. Ich bin -wie du- da mittendrin und gemeinsames Reflektieren und Ausprobieren ist ein erster Schritt.

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      1. Guter Gedanke Simon, gefällt mir, du hast Recht, der Umgang mit unklaren Problemen ist wichtig, Workarounds, Lösungen finden (und nicht: es gibt nur einen richtigen Weg) usw. Nur, diese Herangehensweise ist doch mit dem aktuellen Schulsystem nicht vereinbar. Die Digitalisierung überrennt das träge und in seinen Strukturen veraltete Schulsystem von hinten…es müsste vollkommen neu gedacht und umgesetzt werden, damit Digitalisierung fruchtbar werden kann (vgl. den guten Beitrag von Precht https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=Gewb3-DUlJs). Darum ist dir auch die Freude abhanden gekommen…die Euphorie ob der digitalen Möglichkeiten wird von der Schule ausgebremst.

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