Digitale Medien und Neue Autorität – eine Lesenotiz

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Warum Kinder nicht auf das Handy schauen – sondern auf uns.

Der Umgang mit digitalen Medien überfordert viele Eltern. Zu schnell, zu laut, zu unverständlich. Während Kinder spielend durch neue Apps navigieren, fehlen Erwachsenen oft Worte, Strategien – und die Sicherheit, überhaupt zuständig zu sein.

Das Konzept der Neuen Autorität bietet Orientierung: Es ersetzt Kontrolle durch Beziehung, Eingreifen durch Dableiben – auch im digitalen Alltag.
Das Buch „Digitale Medien und Neue Autorität“ von Martin A. Fellacher greift ein Thema auf, das viele Eltern im Alltag konkret herausfordert – und liefert klare, praxisnahe Ansätze für den Umgang damit.

Wachsame Sorge im digitalen Raum

Wenn Kinder in TikTok verschwinden, nachts noch im Gruppenchat hängen oder sich beim Gaming verlieren, neigen Erwachsene zu reflexartigem Eingreifen: Regeln, Verbote, Bildschirmzeit.

Aber: Digitale Medien sind meist nicht das Problem – sondern der Ort, an dem sich Probleme zeigen. Scham, Stress, innere Unruhe – Kinder nutzen digitale Welten, um zu vermeiden, was sie im echten Leben nicht halten können.

Die wachsame Sorge meint: präsent sein, bevor etwas eskaliert. Nicht durch Kontrolle, sondern durch Beziehung. Das heisst:

– zuzuhören
– zu beobachten
– sich zu zeigen – nicht mit Strafen, sondern mit Präsenz.

Was wirkt, ist keine neue App, sondern eine verlässliche Haltung: Ich bin da. Ich bleibe da. Auch wenn es schwierig wird.

Gesicht zeigen

Was dabei oft übersehen wird: Beziehung geschieht nicht erst im Gespräch. Sie beginnt viel früher – im Blick, in der Mimik, im Tonfall. Kinder spüren intuitiv, ob jemand da ist. Ob jemand sie sieht.

Und gerade, wenn etwas schiefläuft, zählt das mehr als jede Erziehungsstrategie. Die beste Technik nützt nichts, wenn der Ausdruck im Gesicht sagt: „Ich bin enttäuscht von dir.“
Denn dann fühlt sich das Kind nicht begleitet – sondern verlassen.

Und was bleibt?

Eltern werden auch künftig vom Tempo der technischen Entwicklung gefordert sein. Kinder nicht. Aber genau darin liegt eine Chance: Eltern müssen nicht alles verstehen – aber sie können Interesse zeigen. Nicht nur für die Technik – sondern vor allem für ihr Kind.

Bildschirmzeit, Filter, Tracking – das alles mag helfen. Aber es ersetzt nicht das, was Kinder wirklich brauchen:

– dass Eltern sich auf ein gemeinsames Verständnis einigen.
– dass das Smartphone nicht zum Feindbild wird.
– dass Eltern sagen, was sie vorhaben (Ankündigungen), statt plötzlich durchzugreifen.
– dass Fortschritte gesehen und benannt werden – ohne Moral.
– dass auch andere (Verwandte, Lehrpersonen) die Richtung mittragen.

Ja, das klingt anspruchsvoll. Ist es auch. Aber es ist machbar – und dieses Buch ist ein hervorragender Wegweiser: verständlich, praxisnah, ressourcenorientiert.
Für die Kinder – und für sich selbst.

Und falls Sie sich nur eines merken möchten:
Nach jedem Social-Media-Zoff braucht Ihr Kind ein echtes Lächeln von Ihnen.
Nicht als Belohnung. Sondern als Zeichen:
Du bist mir wichtig. Ich bin da. Noch immer. Jetzt erst recht.

Buchtipp:
Digitale Medien und Neue Autorität – Kinder und Jugendliche in virtuellen Welten begleiten (Martin A. Fellacher, 2021, Vandenhoeck & Ruprecht)

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